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Meine Tasse spricht

News & Stories — 29. Januar 2016
von Matthias Kanter
Meine Beschäftigung mit den Dingen verlor irgendwann ihre beiläufige Gleichgültigkeit, ohne einen Grund, den ich erinnern könnte. Auf einmal hörte ich kleine Monologe wie Gedankenfetzen, stellte Fragen und begann Gespräche.

Manchmal waren sie dringlicher, hörbarer. Andere so leise, dass man ganz still werden mußte, um überhaupt etwas zu vernehmen. Auch der gleiche Gegenstand war nicht immer mitteilsam. Hatte man anderswo etwas über ihn oder Verwandte gehört, schien er im Anschluss besonders redselig. Auch Umgebungsveränderung oder das Zusammentreffen mit anderen Dingen führte oft zu lautem Gerede. Was die Dinge erzählten war von ganz unterschiedlichem Niveau.

Im Vorbeigehen etwas aufgeschnappt, entschied manchmal über eine Einladung nach Hause oder ein eiliges Weitergehen als hätte man nichts gehört. Ob Beziehung auf Zeit und eine Langzeitgeschichte, etwas muss mich interessieren und dann faszinieren, um bleiben zu dürfen. Wenn die Faszination Bestand hat, kann ich mich auf regelmäßige gemeinsame Zeit richtig freuen. Mit manchen so Geliebten fahre ich sogar in den Urlaub.

Man kann es Beschäftigung mit Design nennen aber das wäre eine Ausschnittsverringerung. Jedes Ding spricht. Nicht alles ist interessant.

Soweit so normal. Sind die ersten Äußerungen schon spannend und bleiben sie es auf lange Zeit dann handelt es sich oft um bewußte Gestaltung kulturvoller Menschen. Wir nennen das gern Design, obwohl der Begriff alle Brauchbarkeit eingebüßt hat und ganz vieles ausschließt, dem ich die erkenntnisreichsten Begegnungen verdanke. Vielleicht ist es eher ein Subtext den jeder Gegenstand hat.

Viel hat es mit dem zu tun, was die Menschheit mit der Idee der Schönheit zu fassen versucht. Die Schönheit der Idee, der Motivation etwas herzustellen, ist nie ohne Verbindung zur Erscheinung. Spuren menschlichen Tuns, das gern Handwerk genannt wird, erkennen viele Menschen als schön. Aber wie ist es mit der Schönheit einer Idee?

Simone Weil empfahl dazu: "Wenn Du nicht weißt, wie gut eine Sache ist, schau zu den Bewegründen ihrer Hervorbringung. Nur soviel Gutes wie in den Beweggründen steckt, findet sich auch in der Sache selbst."
Von all dem sprechen die Dinge. Jeder Beweggrund ist eine Geschichte, die auch die Dinge erzählen können und sogar die Lautstärke und die Klarheit der Artikulation unterscheidet sich. Manches wird absichtlich genuschelt oder in regionalem Dialekt vorgetragen, den nur Einheimische verstehen wie die Stickereien auf einer Lederhose.

Hört einfach mal hin, wenn Ihr nicht sowieso schon lange im Gespräch mit den Dingen seid. Es braucht nur Aufmerksamkeit und geschärfte Sinne.

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