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Zu gut für die Marktwirtschaft? 
Superfest oder das "Mitropageschirr" aus Colditz

News & Stories — 30. November 2019
von Matthias Kanter
Heute stapfe ich mal hart an der Grenze zur Verschwörungstheorie, aber mein Kenntnisstand gibt mir da freie Fahrt.

"Es war nicht alles schlecht" als Einleitung zur Rechtfertigung von eindeutig "Schlechtem" bis zum Intro einer fast kolonialen Verachtung der Lebensleistung aller, die im Osten Deutschlands gelebt haben, sind bekannte rhetorische Muster.


Seit es Formost gibt, bemühen wir uns um einen differenzierten Blick auf die deutsche Produkt- und Designgeschichte und vermeiden ideologische Argumentationen.


Viel lieber sprechen wir von verschiedenen Umständen bei gemeinsamer Geschichte, die natürlich Folgen hatten. Wer beides kennt, kann vergleichen und beobachten und manchmal entdeckt er Ungewöhnliches.


So fiel uns im Alltagstest oft auf, wie gut, brauchbar und außergewöhnlich haltbar Hervorbringungen der DDR "Mangelwirtschaft" waren. Auf der Suche nach den Gründen finden sich neben gut ausgebildeten Designern auch die andauernde Ressourcenknappheit. So gab es Entscheider, die langlebige Produkte für sinnvoller ansahen im volkswirtschaftlichen Gesamtzusammenhang.


So forschte man in der Lausitz an Gläsern für die Gastronomie, die auch eine unfreiwilligen Bodenberührung überleben können oder entwickelten über Jahre mit der Designerin Margarete Jahny das wohl stabilste und platzsparendste Stapelgeschirr.


Beides schien mit den "Superfest" Gläsern und dem "Rationell" Geschirr gelungen zu sein, wie mir Freunde aus der Gastronomie noch 28 Jahre nach der Wende begeistert bestätigen.


Was liegt da näher als mit Formost an einer Wiederauflage zu arbeiten.
Die Recherchen nach Rechten und Patenten waren nicht zu kompliziert 
und auch die Marktrecherche stimmte hoffnungsvoll. Der gute Absatz in den ersten Jahren von Formost bei originalen Restbeständen aus DDR Produktion motivierte zusätzlich.


Wie groß war aber unser Erstaunen als wir endlich beim heutigen Rechteinhaber ankamen als sich zwei mal die gleiche Geschichte abzeichnete. Jeweils hatte sich ein Konkurrent aus den alten Ländern bzw. Österreich so viele Jahre auf internationalen Messen über die "zu " guten Ostprodukte geärgert, dass er mit Hilfe der Treuhand diese ärgerliche Konkurrenz günstig aufkaufte, um sie für immer vom Markt verschwinden zu lassen.  


Da wurden Formen und Produktionsstrecken absichtsvoll zerstört .

Im vier Augen Gespräch lies sich der heutige "Marktführer" schon mal zu einem Satz hinreißen, der den Sachverhalt in diesem Sinn deutlich machte.


"Denken Sie, ich habe den ganzen Scheiß extra gekauft, um ihn zu beseitigen und gebe Ihnen jetzt die Rechte?" 


Gläser die zu lange halten sind für einen Hersteller in der Gastronomie heute eher geschäftsschädigend. An eine Wiederauflage war nicht zu denken. Die Marktwirtschaft kennt einige dieser Kartelle.


Als in den 70igern die Absprache der Glühlampenhersteller aufflog, dass man intern Strafen zu zahlen hat, wenn eine Lampe mehr als 2000 Stunden hält, gab es sogar noch Strafen. Wie weit die Absprachen heute gehen, läßt sich an den ziemlich genau getimten Nutzungszeiten vieler Produkte nur erahnen. Man spricht in diesem Zusammenhang auch seit einiger Zeit von geplanter Obsoleszenz  und spürt, das völlig freie Spiel der Marktkräfte holt nicht nur das Beste aus den Menschen.


Der Ingenieur, der seinen Beruf mit der Planung von definierten Sollbruchstellen verbringt, weil die Technologie längst ausgereift ist und endlos halten würde, ist genauso zu bedauern wie der Entwickler, dem eine ahnungslose Machtelite in der Mangelwirtschaft täglich in die Berufsehre pfuschte.


Es bleibt an uns durch unser Kaufverhalten die Nachfrage nach guten Produkten zu stärken und dann wird es eines Tages auch wieder "superfeste" Gläser geben.


Das stabile spanische Kneipenglas, ohne das fast keine Berliner Szenekneipe mehr auszukommen scheint, basiert nach meiner Beobachtung übrigens auf der Technologie der Superfest Gläser. Dass Ikea die Form kopiert hat, ohne die Haltbarkeit überhaupt zu wollen, spricht übrigens auch für meine "Verschwörungstheorie".

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