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Vom Risiko der Qualität

News & Stories — 04. Februar 2015
von Matthias Kanter
Bei Formost ist die Lust am Sammeln sehr verbreitet. Über diese Leidenschaft hat sich das Gründerteam auch kennengelernt. Jeder hat so seine Sammlungsschwerpunkte. Wir glaubten zeitweise an ein eigenes Museum für die ostdeutsche Designgeschichte. Mit Günter Höhne, dem wichtigsten Sammler zu diesem Thema, standen wir schon früh im Austausch und seine Sammlung und publizistische Arbeit zum Thema DDR-Design sprengte jeden privaten Rahmen.
Bei einem Besuch zeigte er mir vor Jahren einen kleinen hölzernen Pferdestall von Wolfgang Dyroff. Dieser bedeutende Designer hatte ihm die Spielgabe aus großer Achtung und Freundschaft geschenkt.

Vieles aus Höhnes Sammlung hatte ich nach intensiver Suche auch gefunden, aber hier war es unmöglich. Es gab nur diesen einen Stall. Dyroff hatte ihn an der Bauhausuniversität als Prototyp selbst gefertigt und schon damals fand sich kein Hersteller für diesen Entwurf. Günter präsentierte Ihn gern als einen Höhepunkt seiner Sammlung. Als sie jetzt komplett in die Pinakothek der Moderne nach München übersiedelte, konnte er sich noch nicht ganz trennen. So rief er im letzten Sommer bei uns an.

Er erzählte von einem Gespräch mit dem schwerkranken Wolfgang Dyroff und auch zufällig von dem kleinen Stall, den er noch kurz zurückhalten könnte. Schnell war klar, Günter hatte die Idee mit uns gemeinsam den kleinen Pferdestall herstellen zu lassen und auch Wolfgang Dyroff war schon davon überzeugt.


Nun ist ein Produkt dieser Art nicht etwas, worauf Hersteller warten und man macht so etwas auch nicht, wenn man schnelle Gewinne erwartet.

Es ist also betriebswirtschaftlich unsicheres Terrain, aber ich gab ohne Rücksprache meine Zusage, die Herstellung zu prüfen.

Wenige Tage später kam ein hoch versichertes Paket mit dem Prototyp.

Das Gefühl, diesen Stall auch besitzen zu wollen, hatte mich sofort ergriffen und dient mir in der Regel als Seismograph eines möglichen Käuferinteresses. Der nähere Blick auf die Ausführungsqualität machte allerdings sofort klar, dass wir in einer Preisregion laden werden, in der dieses Käuferinteresse eine deutliche Hürde bekommt.

Klar ist für Formost, dass qualitative Kompromisse zur Kostenreduzierung keine Alternativen sind. Aber ein Produkt herstellen zu lassen, dass niemand kaufen wird, gibt unser Haushalt auch nicht her. Um dieses Dilemma zu verschieben, machten wir uns auf die Suche nach einem Hersteller. Nun mangelt es im Herstellerpool von Formost nicht an Holzwürmern und trotzdem gestalteten sich die Vorgespräche schwierig. Eigentlich antworteten auf die Anfragen nur zwei Hersteller und wollten sich zumindest einer kurzfristigen Vermessung und der Herstellung eines Prototypen annehmen. Da nur ein Stall existierte, ging das Paket also wieder auf eine gut versicherte Reise und einige Wochen später blieb nur noch ein Hersteller übrig, der sich überhaupt zutraute, den Stall herstellen zu können.

Als dann ein etwas größeres Paket nach Schwerin kam, mit 3 Protypen und dem Original von Günter Höhne, konnten wir es kaum fassen. Wir hatten Mühe das Original nicht zu verwechseln und Günter Höhne brachte sein Glück gleich mit einer schriftlichen Würdigung für den Hersteller zum Ausdruck. Für ihn war ein erster großer Wunsch erfüllt, als Wolfgang Dyroff im Krankenhaus gerührt die neuen Ställe streichelte. Nun war er sehr interessiert, alle Beteiligten nach Berlin zu laden, um die folgenden Schritte zu besprechen.

Da wir den Hersteller Louis Schmidt auch nur vom Telefon kannten, freuten wir uns auf dieses Treffen und den Menschen hinter dieser Leistung, der alle beglückt hatte. Bei Tee, Kaffee und Gebäck in der neuen Wohnung von Familie Höhne trafen wir auf einen überraschend jungen Mann. Er erzählte etwas von seiner Familie und schnell war klar, dass es kein Zufall war, was uns in Erstaunen versetzt hatte.

Louis war in einer weit verzweigten Familie aufgewachsen, die seit Generationen Holz künstlerisch bearbeitete. Sein Großvater mütterlicherseits ist der berühmte Hans Brockhage, sein Großvater väterlicherseits eine Holzschnitzerlegende im Erzgebirge und auch sein Vater hat ein eigenes Lebenswerk in dieser Tradition.

Louis hat im Zuge seines Studiums zum Ingenieur für Holztechnik in den Deutschen Werkstätten Hellerau gelernt. Heute arbeitet er viel am Computer, aber der Wunsch auch ab und zu den Duft des Holzes zu genießen, nannte der junge Vater als Beweggründe dieses Wagnis einzugehen.

Der Stall hatte ihn sofort begeistert und schon beim Aufmaß, dass ihm nur mit moderner Rechentechnik gelang, stieg die Achtung vor Wolfgang Dyroff weiter. Man muss dazu wissen, dass der kleine Stall auch ein Organisationspuzzle ist. Man braucht je nach Geschick auch als Erwachsener reichlich Zeit, alle Teile so einzustapeln, dass sich die Türen schließen lassen. Wie Dyroff das nach dem Krieg mit Messschieber und Lineal ausgerechnet hat, fand er unfassbar. 

Seine kleine Tochter will inzwischen keine Mahlzeit ohne ein Pferd am Teller einnehmen, dies hatte ihn auch für die Spieltauglichkeit überzeugt. Die Ausführungsqualität empfand er als Herausforderung und wir alle folgten begeistert diesem jungen, nachdenklichen Idealisten.


Wir hatten die ideale Kombination gefunden, denn nur wenn ein guter Entwurf auf einen begeisterten Hersteller trifft, entsteht etwas wirklich Gutes.

Wir einigten uns auf eine limitierte Auflage für eine erste Vertriebsphase, besprachen Preise und die Rechtefrage und einen ersten Termin, an dem wir das neue Produkt vorstellen. Günter Höhne hatte endlich einen würdigen Ersatz für sein Original und konnte sich erstmals vorstellen, dieses nun nach München zu geben und auch wir kauften uns im Geist erstmal einen Stall für die eigene Sammlung. Der hohe Preis bleibt die entscheidende Hürde für den Vertrieb auch wenn Louis Schmidt unter Herstellungskosten bleibt und wir knapper kalkulieren, als es ein Kaufmann dürfte. Ob unsere Begeisterung auch andere erfasst, bleibt eine große Unbekannte. Einzig, dass ein kommerzieller Misserfolg den wenigen Besitzern einen extrem seltenen Designklassiker beschert, scheint die zweite Seite der Medaille. Dem Hersteller und uns ist es dieses Risiko wert.

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